Textatelier
BLOG vom: 13.05.2021

Essbare und schmackhafte Wildpflanzen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim

 


Knoblauchsrauke
 

„Geschmack, Geruch und Beschaffenheit der Wildpflanzen sind so facettenreich, dass sich unseren Sinnen ein wahres Feuerwerk an den verschiedenen Genüssen bietet“, schreibt euphorisch der Ethnobotaniker François Couplan in seinem Wildkräuterbuch.

Als die importierten Gemüsearten aus südlichen und fernen Ländern noch Mangelware waren, wussten sich unsere Vorfahren helfen. Sie verzehrten saisonales Gemüse aus dem eigenen Garten oder sammelten Wildkräuter und Wildgemüse, die sie reichlich an Gartenzäunen, an Bachläufen, auf Schuttplätzen, an Wegrändern, Hecken, auf Wiesen und Äckern fanden. Auch in Kriegs- und Hungerzeiten waren diese wildwachsenden Pflänzchen bedeutungsvoll, lieferten sie doch viele für unser Fortbestehen notwendige Stoffe.

Heute ist Wildgemüse wieder aktuell, weil das Bedürfnis nach schmackhafter Kost riesengross ist. Auch renommierte Köche verwenden immer mehr Wildpflanzen in der Küche.

Was ist besser?
Wenn wir die Palette an Inhaltsstoffen der Wildgemüse mit Kulturgemüse vergleichen, stellen wir fest, dass diese in den wildwachsenden Pflanzen ungleich grösser sind. Gemüse aus der freien Natur sind mit weniger Wasser behaftet, enthalten die 2- bis 4-fache Menge an Kalium, Phosphor, Magnesium, Kalzium und Eisen. Vitamin C ist in den „Wilden“ bis 3mal reicher vorhanden als im Kulturgemüse.

Die Inhaltsstoffe vermitteln uns intensivere Geruchs- und Geschmackserlebnisse. Man darf sich durch den herben, eigenartig gewürzten Geschmack vieler Wildkräuter nicht beeinflussen lassen. Man gewöhnt sich bald an die grüne Kost.
Wildkräuter und Wildgemüse sind vielfach auch Heilpflanzen. Sie helfen bei Krämpfen, Nieren- und Blasenleiden, Appetitmangel, Verstopfung, Durchfall, Kreislaufstörungen, Husten, Entzündungen.

Pflanzenführung in heimischer Natur
Am 11. April 2021 wurde eine Wildpflanzenführung durch Anita Turek durchgeführt. Die Ankündigung machte Pflanzenfreunde neugierig. Die Expertin schrieb: „Die essbaren Wildpflanzen sind ein Schlüssel für mehr Energie, gute Gesundheit, Vitalität, Wohlbefinden, Leichtigkeit, geistige Klarheit und so viel mehr.“  Auch wies sie darauf hin, dass die Wirkstoffe in den Wildpflanzen besonders in Corona-Zeiten unser Immunsystem natürlich und effektiv stärken.

Die Führung wurde im „Hertener Loch“ bei Rheinfelden-Herten durchgeführt. Solche Führungen bringen immer etwas Neues, man kann sein Wissen auffrischen.

Vor der Führung erhielten die Teilnehmer 3 Blätter mit Kurzinfos von 200 essbaren Wildpflanzen, die in dem hervorragend ausgestatteten Buch von Fleischhauer u.a. beschrieben sind. Zu jeder Wildpflanze waren die Wirkungen aufgeführt. Die aufgefundenen Pflanzen markierten wir auf den Blättern.

 


Giersch
 

Welche Wildpflanzen haben wir entdeckt?  Es waren die folgenden: Breitwegerich, Brennnessel, Brombeere, Ehrenpreis, Fingerkraut, Gänseblümchen, Giersch, Gundermann (Gundelrebe), Knoblauchrauke, Löwenzahn, Raue Gänsedistel, Scharbockskraut, Ackersenf, Wiesenschaumkraut, Veilchen.

„Wir wussten gar nicht, wie viele Wildpflanzen man essen kann“, erklärte ein Vater, der mit seinem Sohn die Exkursion mitmachte. So mancher Teilnehmer kannte die Knoblauchsrauke (Lauchhederich) nicht. „Zerreibt mal die Blätter, und ihr werdet den Geruch von Knoblauch feststellen“, erklärte die Pflanzenkennerin. Die Pflanze enthält Senföle, die auch im Knoblauch vorkommen. Den gewöhnlichen Giersch (Geissfuss) kannten nicht alle.

Die Teilnehmer waren überrascht, dass es oft unter den Beständen neben essbaren Kräutern, auch giftige gibt.

Sammeln will gelernt sein
Einwandfreies Erkennen der Pflanze. Es besteht immer die Gefahr einer Verwechslung mit ungeniessbaren und giftigen Pflanzen. Bei unserer Sammlung von Wildpflanzen zeigte uns Frau Turek die giftigen Blätter des Aronstabs, die Hundspetersilie, Hahnenfussgewächse und verwies auf den giftigen Wasserschierling. Auch beim Bärlauchsammeln muss man aufpassen. Da gibt es immer wieder Verwechslungen mit Maiglöckchen und den Blättern der Herbstzeitlose. Vor einigen Tagen starb ein 48-Jähriger Münchner, der sich eine Sosse aus selbstgesammelten, vermeintlichen Bärlauchblättern zubereitete. Die Sosse enthielt jedoch Herbstzeitlosenblätter.

Sammelzeit beachten:  Triebe, Blüten in den Vormittagsstunden nach Abtrocknung des Morgentaus sammeln.

Einwandfreier Sammelstandort: Hundespazierweg meiden, frei von Spritzungen und Gülle, nicht an stark befahrenen Strassen sammeln.

Sammelgut locker in Körbe einlegen.

Nicht an einem Standort alles abreissen, immer genügend Pflanzen stehen lassen. Nur soviel sammeln, wie benötigt wird. Die gesammelten Pflanzen zu Hause waschen.

Keine Pflanzen sammeln, die vom Aussterben bedroht sind.

Möglichst junge Pflanzen aussuchen (ältere schmecken oft bitter).

Gesunde Pflanzen ernten (Blätter mit Pilzbefall und solche mit Flecken nicht sammeln).

 

Anmerkung: Schmackhafte Rezepte von Carine Buhmann folgen in einem gesonderten Blog.

 

Literatur
Couplan, Francois: „Wildpflanzen für die Küche“, AT Verlag, Aarau 1997.
Fleischhauer, Steffen Guido; Guthmann, Jürgen; Spiegelberger, Roland: „Essbare Wildpflanzen“ (200 Arten bestimmen und verwenden), atVerlag, Aarau, Baden und München, 23. Auflage 2020.
Jetzt gibt es auch eine App (Bestimmung der 200 wichtigsten essbaren Wildpflanzen Mitteleuropas bestimmen – Alle Pflanzenportraits mit Angaben zur Erntezeit und Verwendung in der Küche – Wertvolle Infos über Inhaltsstoffe und Heilwirkungen).
Scholz, Heinz: „Schmackhaftes Wildgemüse“, „Natürlich“, Nr. 03/1998. Im selben Heft „Naturküche pur – mit lauter Wilden“, Rezepte von Carine Buhmann.

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst